Im letzten Eintrag habe ich darueber geschrieben, dass ich behauptet, nahezu alle Neuseelaender seien Alkoholiker. Ein rauhes Urteil, doch ist das nicht ganz aus der Luft gegriffen. Schliesslich dreht sich am freien Tag eines hart arbeitenden Kiwis alles darum, ein paar Bierchen zu trinken und dann so lange zu trinken, bis man nicht mehr laufen kann. Das ist hier das Ziel einer alkoholischen Trinkphase. Und dass man in jedem noch so kleinen Ort immer einen Pub findet, erklaert auch einiges. Fuenf Haeuser und in der Mitte ein Pub, der komischerweise nie leer ist. Irgendeiner hockt immer an der Bar. Wer einmal einen Blick auf den wikipedia-Eintrag zum Thema Alkoholismus wirft, der wird sich selber als Beta-Typ wiederfinden. “Der Beta-Typ (Gelegenheitstrinker) trinkt bei sozialen Anlässen große Mengen, bleibt aber sozial und psychisch unauffällig. Betatrinker haben einen alkoholnahen Lebensstil. Gesundheitliche Folgen entstehen durch häufigen Alkoholkonsum. Sie sind weder körperlich noch psychisch abhängig, aber gefährdet.” Ein alkoholnaher Lebensstil ist also die Gefaehrdung. Wenn man bedenkt, dass ich persoenlich in einem Restaurant arbeite und des oefteren auch an der Bar, ich glaube naeher kann man Alkohol kaum kommen. Es sei denn man ist Brauerei-Taucher, falls es sowas gibt. Das waere dann ganz nah. Doch ich bin sicher, auch DU, lieber Leser, wirst dich bei genauerer Betrachtung als beta-Typ einstufen wollen. Oder DU streitest es ab, dann bist du wahrscheinlich noch eher Alkoholiker, denn Einsicht waere der erste Schritt zur Besserung.
Wer jedoch darauf achtet, dass es nicht zum taeglichen Grundnahrungsmittel wird, sondern den Exzesskonsum auf Gelegenheiten beschraenkt, muss sich nicht als Alkoholiker bezeichnen lassen. Von einer solchen Gelegenheit moechte ich nun berichten. Mit zwei wunderbaren Menschen habe ich gestern einen “Pub Crawl” unternommen. Man nimmt sich vor, mindestens ein Bierchen in jedem Laden zu trinken, der Bier ausschenkt. Paul (32), mein Boss und mittlerweile guter Freund, und Barry (59), der Gaertner des “Wild Hogs” Restaurants waren meine Trinkkumpanen. Angefanfen haben wir natuerlich im Wild Hogs, nach der Arbeit etwa gegen 14 Uhr. Anlass dieser besonderern Trinkrunde ist mein Abschied aus Whitianga. In fuenf Tagen werde ich Neuseeland verlassen und viele Menschen, die gute Freunde geworden sind, sicherlich fuer einige Jahre nicht sehen. Abschiedsfrust. Frauen weinen. Und Maenner? Die gehen einen saufen.
Der erste richtige Pub war dann Smitty’s Sportsbar. Ein typischer Pub im englischen Stil, mit Wettstube und mehreren Flachbildschirmen nebeneinander um Pferderennen oder Rugby zu uebertragen. In der Mitte eine grosse Theke mit mindestens zehn Bieren vom Fass. Die naechste Station war Tuatua, mehr Restaurant, aber dennoch Mac’s Gold vom Fass. Wir waren die einzigen Gaeste und dank des etwa sechsten Bieres auch schon gut dabei. Da die Stimmung in Tuatua etwas truebe war, entschieden wir uns zum Steak & Ale House zu gehen. Ein rustikales grosses Haus, maritimes Flair dank runder Fenster. Kilkenny und Guiness vom Fass, da sagt man nicht nein. Angeblich hat das ganze Haus mal am Meer gestanden und wurde vor einigen Jahren durch die Strassen Whitiangas gekarrt. Der naechste Pub ist der Hauptpub von Whitianga, ein richtiger Pub mit langer Holztheke, Teppich, Billiardtischen und nach fett stinkender Kueche. Monteith’s Original vom Fass.
Mittlerweile waren wir gut dabei, dann ging’s Richtung Sangram, ein Indisches Restaurant. Natuerlich kein Bier vom Fass, aber die Flasche aus der Kuehlvitrine tut’s auch. Indische Musik im Hintergrund, spaeter dann Dire Straits. Passte irgendwie nicht zusammen. Spaeter dann noch Salt und Squid’s und als wir dann endlich den Kreis durch den Ort beendet hatten, standen wir wieder vor der Tuer vom Wild Hogs. Eine schlechte Idee nach so vielen Bieren bei der Arbeit aufzukreuzen. Paul hat sich sofort ein Taxi nach Hause bestellt und mich und Barry an der Bar hocken lassen. Barry wurde erstmal jedes weitere Bier verweigert, ich persoenlich wollte gar keins mehr. Und dann fiel mir ein, dass ich auch noch zu einer Geburtstagsparty musste. Also sind Barry losmarschiert, er nach Hause, ich zum Geburtstag. Dort habe ich es allerdings nicht laenger als eine dreiviertel Stunde ausgehalten, schliesslich hatte ich ja einen langen Tag hinter mir.
Emma, meine Mitbewohnerin hat mich abgeholt und wir haben zuhause “Rhys Darby live” geschaut. Dann bin ich um vier aufgewacht, Fernseher aus, alle laengst im Bett. Was fuer ein gelungener Pub Crawl. Wir haben viel gelacht. Vor allem Paul und ich, ueber Barry. Und neben meiner Theorie, dass alle Neuseelaender Alkoholiker sind, moechte ich noch eine Theorie aufstellen: man trifft hier wesentlich mehr “Alte”, die noch genau so laessig drauf sind, wie damals in ihren jungen Jahren. Wer in Deutschland mit dem Alter verbittert und spiessig wird, auf der Jugend herumpoebelt und sie meidet, der wuerde sich in Neuseeland wundern. Und wahrscheinlich nicht zurechtfinden.
Danke, Paul und Barry, auch wenn ihr englischsprachig seid und das hier nicht lesen koennt, fuer einen generationenverbindenden Saufabend.
Prost, liebe Leser!